Highway to Hell: Abenteuer-Trip auf dem Dalton Highway in Alaska.

25. März 2023

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Roadtrip Dalton Highway in Alaska - endlose schöne Weite und eiskalte Leere

Ich mache die Tür von dem Holzverschlag auf und blicke auf das Plumpsklo. Eiswürfel am Klodeckel, Eiszapfen rund um den Sitz. Mir egal, ich muss jetzt pinkeln. Selbst schuld, ich wollte im Winter nach Nordalaska. Als ich aus dem Klohäuschen komme, sehe ich gerade noch, wie mein Freund bis zur Hüfte in einem Schneehaufen verschwindet.

Wir sind auf dem Weg von Fairbanks nach Coldfoot, einer kleinen Wildnis-Community entlang des Dalton Highways nördlich vom Polarkreis. Wo die Taiga aufhört, und die Tundra beginnt. 350 Kilometer entfernt vom nächsten Supermarkt in jede Himmelsrichtung. Keine Polizeistation, keine Feuerwehr, kein Krankenhaus, kein W-LAN und nicht mal 'ne Kirche. Bloß ein Truckstop, eine Zapfsäule und ein paar puristische Container zum Wohnen.

 

Und wenn euch da was passiert?

Dann haben wir wenigstens noch geile Nordlichter gesehen, eine Hundeschlittenfahrt gemacht, auf dem Yukon River getanzt, den Polarkreis überquert und einen komplett gefrorenen Märchenwald gesehen. Ist doch besser, als am Lebensende in Oer-Erkenschwick die Kellertreppe runterzufallen. Also kommt mit zu unserem Alaska-Abenteuer – into the wild – auf einer der nördlichsten und gefährlichsten Straßen der Welt.

Bremsversagen und Schotterpiste – der Dalton Highway

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Der Dalton Highway im Winter - Trucks fahren zu den Ölfeldern bei Prudhoe Bay

Als ich die Tür vom Eis-Klo zuschlage, muss ich lachen. „Arsch auf Grundeis!“, sage ich laut auf Deutsch. Versteht ja hier eh keiner.

Nach dem Pinkelstopp geht es zurück auf den Dalton Highway. Er ist die einzige Straße in ganz Alaska, die über den Polarkreis hinaus bis ans Arktische Meer führt. Alle anderen Gebiete in Nordalaska sind nur per Kleinflugzeug erreichbar. Im Sommer besteht der Highway hauptsächlich aus Dreck, Matsch, Steinchen und Schlaglöchern, weshalb man grundsätzlich schon mal mit einer gesprungenen Windschutzscheibe rechnen kann und mit zwei bis vier Reservereifen anrücken sollte (kein Scherz!). Im Winter werden große Teile der Oberfläche absichtlich mit Wasser vereist, um die Schlaglöcher zu verfüllen. Anschließend wird die spiegelglatte Straße angeraut, damit man nicht gleich den Abgang macht. Dafür sorgen schon die Kurven, Bremsversagen aufgrund astronomischer Kälte (bis minus 60°C) oder Lawinen.

 

Der Dalton Highway ist Anfang – oder Ende – der legendären Panamericana und wurde in den 1970er Jahren ausschließlich gebaut, weil im nördlichsten Norden bei Prudhoe Bay massenhaft Öl gefunden wurde und man eine Pipeline in den eisfreien Süden konstruieren wollte. Da es null Infrastruktur gab, musste dafür erstmal ein kompletter Highway im Permafrost angelegt werden. Immer noch nicht überzeugt, dass das der Highway to Hell ist? Nun, er ist zufällig 666 Kilometer lang. Just saying.

Naturwunder: der gefrorene Wald am Dalton Highway

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Der "Enchanted Forest" am Dalton Highway in Alaska

Wir fahren den Dalton Highway nicht selbst, sondern mit einem Guide. Ein klassischer Alaska-Kerl – zwei Meter groß, zwei Meter breit, in selbstgehäutete Tierfelle gehüllt und mit einer Stimme, die aus den Tiefen des Erdkerns zu dröhnen scheint. Er steuert unseren Van selbstsicher über den Pfad der Verdammnis.

 

Ab und zu kommen uns riesige Trucks entgegengedonnert, die die Ölfelder im Norden mit Material versorgen. Unterwegs immer mal versteckte Hütten von Selbstversorgern, die „keine Menschen um sich herum mögen“. Sonst Leere. Fichten und Eis. Hügel. Eis und Fichten.

 

Es ist eine Einsamkeit und Weite, die ich noch nie in meinem Leben erlebt habe. Dagegen ist Wyoming eine Metropole. Ich denke an „das Nichts“ in Michael Endes Buch „Die unendliche Geschichte“. Es ist hier. Und es ist schön. Krass.

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Der gefrorener Wald im Abendlicht nahe des Polarkreises am Dalton Highway

Auf einmal sehe ich draußen weiße Säulen vorbeiziehen. Hä, was ist das denn? Ich springe auf, während der Van über ein unausgefülltes Schlagloch rumpelt und mein Freund mich festhält, damit ich nicht mit der Nase im Gang lande.

Wir parken.

Die weißen Säulen sind Bäume. Ein ganzer Wald. Gefroren und verschneit. Wie Mumien, wie ein weißer Bryce Canyon, wie einfach mal eines der wunderschönsten Dinge, die ich je gesehen habe! Wir steigen aus und ich flitze auf einen Schneeberg, der sofort damit droht, mich in Gänze zu verschlucken. Wow! Die Sonne, die hier nie höher als 45 Grad über dem Horizont steht und für mehrstündige Dämmerungen sorgt, taucht die surreale Szene in goldenes Licht. Es ist so schön, dass ich fast weinen will. Unsere Welt ist ein unglaubliches Wunder und immer wieder finde ich auf Reisen Orte, die man sich selbst mit der größten Fantasie nicht vorstellen kann.

Spaziergang auf dem Yukon River

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Mitten auf dem Yukon River in Alaska

Kurze Zeit später erreichen wir den Yukon River. Einen der mächtigsten Flüsse der Welt. Er ist 3.190 Kilometer lang (die Donau ist 2.857 Kilometer lang) und an der weitesten Stelle über einen Kilometer breit. Und er ist einfach mal komplett gefroren. Ich renne einen Hang runter bis zum Ufer und dann auf den Fluss. Ich hüpfe. Vielleicht bricht das Eis ein. Es kann ja wohl nicht sein, dass so ein verdammt riesiger Fluss einfach einfriert. Mein Freund schaut mich durchdringend mit seinen blauen Alaska-Augen an, die einen Husky neidisch machen würden. Er denkt dauernd, dass ich in Eis einbreche und für immer auf den Grund irgendeines Pfuhls sinke. Aber nichts passiert. Wir stehen auf dem Yukon River.

 

Der Wind ist scharf und meine Augen tränen. Ich kneife sie zusammen. Dann kehren wir um – aber erst, nachdem ich mich zur Vergewisserung auch noch auf den Yukon River draufgelegt habe – und entern eine kleine Sandwich-Bretterbude. Als wir im Vorraum stehen, zwinkere ich. Irgendwas stimmt nicht. Mein rechtes Auge geht nicht mehr auf. Die Wimpern sind zusammengefroren. Ich halte mir meine warme Hand ins Gesicht, leicht panisch. Was, wenn das nie wieder aufgeht! Tut es aber. Holy moly. Auf einem Thermometer an der Außenwand sind minus 27° Fahrenheit. Minus 32° Celsius. Ich überlege, ob mir das Sandwich an den Zähnen gefriert, wenn ich es draußen esse.

Ich esse es drinnen.

Polarkreis-Überquerung mit Donnermann

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Überquerung des Polarkreises mit unserem Elchfell-Guide - juhuu!

Nach einer langen Fahrt – wegen der Straßenverhältnisse des Dalton Highways und mehrerer Stopps dauern die 400 Kilometer von Fairbanks bis zu unserer Unterkunft in Coldfoot fast zehn Stunden – kommen wir an einer unsichtbaren, geologischen Linie an: dem Polarkreis.

Ein braunes Schild steckt im Boden und unser Elchfell-Fahrer breitet aus Jux einen roten Teppich im Schnee aus, über den wir für ein Foto drüberlaufen können. Nachdem mein Freund und ich offiziell über den Polarkreis gelatscht sind, gratuliert uns unser Guide, in dem er seine Schaufelradhände um uns legt und irgendwas sagt, das wie „Thunderstruck!“ klingt. Danach schleudert er uns mit seinem kleinen Finger bis zum Nordpol und isst drei Wölfe roh mit Ketchup.

Das letzte war ein Witz.

 

Als ich gerade angefangen habe, ein Schild über die Jahreszeiten am Polarkreis zu lesen, bemerke ich, dass ich meine Füße nicht mehr spüre. Ich scheiße instantly auf die Informationen und laufe schnell hin und her, um mich aufzuwärmen. Wenn ich eines schon in Wyoming gelernt habe, dann dass Erfrierungen real sind. Im Januar habe ich dort einmal zu lange ohne Handschuhe Fotos gemacht und nach drei Monaten fange ich langsam wieder an, die Nerven in meinem kleinen Finger zu spüren. Dann verkriechen wir uns zurück in den Van und fahren in einen endlos langen Sonnenuntergang immer weiter in den Norden, wo noch mehr Abenteuer auf uns warten.

 

Eine Fortsetzung des Reiseberichts gibt's hier: Nordlichter, Hundeschlitten und kalte Füße am Ende der Welt – Alaska im Winter.

Kommentare: 6
  • #6

    SquirrelSarah (Dienstag, 28 März 2023 19:09)

    Dankeschön, liebe Caroline! :) Es war ein Ort wie noch kein anderer, den ich erlebt habe.
    Ich hoffe, es geht dir gut!
    Sarah

  • #5

    SquirrelSarah (Dienstag, 28 März 2023 19:06)

    Hey Peter,
    "cool" (höhö), dass du reingelesen hast. Ich finde, das ist eine Region, wo ja doch wenige hinkommen und ich fand es super spannend, zu sehen, wie es wirklich dort ist. Zum Leben wäre es mir aber auch echt zu frostig.
    Liebe Grüße
    Sarah

  • #4

    SquirrelSarah (Dienstag, 28 März 2023 19:05)

    Lieben Dank, Henry-Martin! Minus 20 Grad ist ja auch schon eine Hausnummer. Ich finde, da ist der Unterschied zu minus 30 fast nicht mehr spürbar. Es ist halt einfach arschkalt. In das Gebiet bei Usbekistan möchte ich auch gern mal noch.
    Liebe Grüße
    Sarah

  • #3

    Caroline Tillmann-Schumacher (Montag, 27 März 2023 10:58)

    Tolle Erlebnisse! Danke für die Schilderungen, und pass auf Dich auf! Herzlich, Caroline

  • #2

    Don Pedro (Samstag, 25 März 2023 18:55)

    Klasse Schilderungen. �
    Danke Sarah. ��

  • #1

    Henry-Martin Klemt (Samstag, 25 März 2023 17:09)

    Eine tolle Schildrung. Danke. Mir wäre es zu kalt. Ich fand Taschkent mit minus 20 Celsius ausreichend.

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