Von weißen Dünen zur Milchstraße zum Schneesturm – Roadtrip Südwesten USA III.

13. März 2022

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Backpacking in den Great Sand Dunes - was für ein Erlebnis!

Völlig fertig drehe ich den letzten Hering vom Zelt in den kalten Sand. Anderthalb Kilometer sind wir mit Zehn-Kilo-Rucksäcken über riesige Dünen gewandert. Jetzt ist es dunkel. Mein Freund hat unseren ultraleichten Gaskocher angeworfen und macht heiße Schokolade klar. Ich will mich gerade hinsetzen, als ich in den Himmel schaue und augenblicklich mitten in der Bewegung innehalte. Über das samtblaue Firmament ergießen sich Millionen von Sternen wie ein umgekippter Zuckerstreuer. Und genau hinter unserem Zelt ragt die Milchstraße senkrecht empor. Zwischen den Bergen, hinter denen noch ganz leicht orange der Sonnenuntergang glimmt. „Oh mein Gott, ist das… groß!“, rufe ich laut. Dann drehe ich mich auf der Stelle im Kreis, reiße meine Arme nach oben und lache. Natürlich falle ich kurz darauf um und lande im weichen Sand.

Mein Freund blickt auf. „Ich könnte dich jetzt fragen, was du da wieder machst. Aber ich habe Angst vor der Antwort.“

 

Wir sind in den Great Sand Dunes von Colorado und auf dem letzten Teil unseres einmonatigen Camping- und Roadtrips durch den Südwesten der USA. Ich nehme euch mit zu einer Höhle, die so unfassbar riesig ist, dass man darin das ganze Empire State Building versenken könnte, zu einer weißen Gipswüste, zu den größten Sanddünen in Nordamerika und einem ausgewachsenen Schneesturm, der uns zwei Tage lang in einer Holzhütte eingeschlossen hat.

Carlsbad Caverns – gigantische Unterwelt

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Meterhohe Tropfsteine in der riesigen Carlsbad Cavern

„Du musst unbedingt die Carlsbad Caverns sehen“, sagt mein Freund, als wir den Trip planen.

„Och, Höhlen“, erwidere ich wenig enthusiastisch und denke an kleine und karge, dunkle Löcher. Aber ich bin ja neugierig und offen für Schabernack. Also kommt der Nationalpark auf unsere Liste.

 

Es ist brüllend heiß, als wir Anfang Oktober in Carlsbad, New Mexico, sind. Das Fahrenheit-Thermometer im Auto zeigt über 100 Grad. Das klingt für jemanden, der mit Celsius aufgewachsen ist, nach Magma-Inferno. Sind aber auch in Celsius fast 40 Grad. Vielleicht ist es ja wenigstens kühl in dem ollen Schacht, denke ich mir.

 

Dann stehen wir am Eingang der Carlsbad Caverns. Ich starre auf eine Infotafel. Da ist das Empire State Building abgebildet, das 318 Meter hoch ist. Im Vergleich zu in einem der Höhlenräume, der 489 Meter tief ist, sieht es aus wie eine Schachfigur.

„Ich hab dir doch gesagt, das ist nicht nur ein blödes, kleines, schwarzes Loch“, sagt mein Freund und grinst.

 

Von da aus laufen wir spiralförmig in die Tiefe. Zu turmhohen Stalagmiten, die aussehen wie Elfenbeintürme von Feen, zu Spiegelteichen und dämonisch aussehenden Spalten in der Decke, aus denen Tropfsteine wie nukleare Diamanten wuchern. Besonders der Big Room mit seinen 200 Metern Durchmesser wirkt wie eine Kathedrale aus versteinerten Haifischen, Pilzen und Nadeln. Vor 265 Millionen Jahren lag all das mal unter der Oberfläche eines Binnenmeers. Bisher wurden in dem System 120 einzelne Höhlen entdeckt. Richtig cool: Die Formationen sind illuminiert und man darf ein Stativ mitbringen. Am Ende sind wir fast fünf Stunden unter Tage. Von wegen oller Schacht.

White Sands – unwirkliches, wunderschönes Land

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Weiße Gipsdünen wie Schnee in White Sands

Von schwarzer Tiefe zu gleißend weißen Dünen. Allerdings nicht aus klassischem Sand, sondern aus Gips-Krümeln. Nicht so weit von den Carlsbad Caverns entfernt liegt der White Sands National Park. Erst einmal fahren wir aber an Militärzäunen vorbei, denn hier liegt auch die White Sands Missile Range. An einer Stelle passieren wir einen seltsamen Kontrollpunkt. Ich hasse Kontrollpunkte, weil ich immer denke, dass ich aus Versehen etwas Illegales gemacht habe, von dem ich nichts weiß. Mein Freund rollt mit den Augen: „Sarah, was sollen die denn machen!“

Keine Ahnung. Lebenslange Haft in Guantanamo, Abschuss auf den Mond, Zwangsarbeit im Wahlkampf-Team von Donald Trump.

Natürlich passiert nichts.

 

Dafür sind wir am Abend noch in den wirklich schneeweißen Dünen, in denen man ohne feste Wanderwege herumlaufen darf – sofern man es gebacken bekommt, nicht sinnlos Pflanzen zu zertreten. Das bläuliche Abendlicht wird von den Körnern reflektiert. Wie Wellen breitet sich der weiche Gips vor uns aus. Barfuß-Zeit! Es ist ein surrealer Ort, der tagsüber entsetzlich heiß werden kann, nachts aber auch sehr kalt. Doch jetzt ist er einfach nur blau und golden und scheint in der Dämmerung von innen heraus zu leuchten. Magisch. Auch dieses Gebiet entstand vor Millionen von Jahren unter Wasser, als sich auf dem Meeresgrund Gips ablagerte.

Man kann übrigens „Schlitten“ mitbringen und dann auf den Dünen runterrutschen.

Great Sand Dunes: Campen in den größten Dünen Nordamerikas

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Unser Zelt mitten in den Great Sand Dunes im Sonnenuntergang

Kurz darauf landen wir an weiteren Dünen. Den Great Sand Dunes in Colorado. Kurz darauf ist allerdings amerikanisch gemeint, denn die beiden Nationalparks liegen 650 Kilometer voneinander entfernt. Für den gemeinen German ist das eine Tagesreise, wohingegen mein Freund findet, die erste Frühstückspause macht man so ab 1.000 Kilometern.

 

Als Unterkunft haben wir uns eine ganz besondere Übernachtungsmöglichkeit gesucht: Zelten in den Great Sand Dunes. Dafür braucht man eine Genehmigung vom National Park Service und es dürfen auch nur ganz wenige Leute pro Tag dort campen. Eine weitere Bedingung: Man muss anderthalb Kilometer weit vom Parkplatz weg in die Dünen hineinwandern und dafür den größten Dünenkamm überqueren. Die höchste Düne, die Star Dune, ist 230 Meter hoch. Wir satteln unsere zehn Kilo schweren Backpacks auf, in denen sich Zeltausrüstung, Essen und eine Tonne Wasser befindet. Denn dort, wo wir hingehen, ist halt nur Sand. Kein Klo, keine Dusche, kein Trinkwasser, kein Strom.

 

Allein mit dem ganzen Scheiß auf einer asphaltierten Straße entlangzulaufen, wäre schon kein lauer Abendspaziergang. Aber damit eine bekloppte, zweihundert Meter hohe Sanddüne hochzusteigen, bei der man alle drei Sekunden knöcheltief versinkt, ain’t no fun. Wobei, das stimmt so eigentlich nicht. Denn der Ausblick über Nordamerikas größte Sanddünen, die mitten in einem Kessel aus Bergen liegen, ist gigantisch. Die feinen Wellenmuster, die langen, scharfen Schatten, der blaue Himmel...

„Ich habe zehn Zentimeter Sand in meinen Schuhen“, meckert mein Freund, der sonst nie meckert. Für einen kurzen Moment denke ich, dass wir gleich einfach rücklings mit dem Backpack die ganzen Dünen runterrollen wie panierte Kartoffelklöße.

Das Universum zum Greifen nah

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Pinke Wolken mit Mond über den Great Sand Dunes

Schließlich erreichen wir das Areal, in dem wir das Zelt aufstellen dürfen. Wild. Da ist keine Markierung, kein Zeltplatz, nur Sand. Die Sonne geht langsam unter und die riesigen Dünen färben sich gold-orange. Am Himmel liegen rote Wolkenfetzen und im Sand vor mir sind ganz kleine Trippel-Spuren zu sehen. Vielleicht Wüsten-Mäuse. Es ist überwältigend.

 

Wir bauen die Hütte auf und rennen danach einmal sinnlos und glücklich Hand in Hand in ein tiefes Sand-Tal.

Aus dem wir danach langsam wieder herauskriechen müssen. „Wer hatte denn diese Scheiß-Idee“, sagt mein Freund. „Vor allem, wo es fast dunkel ist.“ Wir lachen.

 

Wieder oben, stecke ich die extra für Sand konzipierten Plastik-Heringe noch einmal fester in den Boden und mein Freund setzt einen heißen Kakao an. Denn es ist auf einmal ungemütlich kalt geworden und soll heute Nacht unter null gehen. Wüste, tolle Wurst.

Als ich aufstehe, sehe ich die letzten pinken Schäfchenwolken über den kleinen Grasbüscheln in den nun grauen Dünen. Die Mondsichel ist aufgegangen und rechts daneben Venus. Und dann wölbt sich auf einmal die Milchstraße über unserem Zelt. An einem fantastisch dunklen Himmel mit unzähligen, weißen Sternen. Alles ist unendlich und wir sind nur ein Fliegenschiss im Universum. All das wäre auch da, wenn wir nicht da wären. Ist das nicht großartig?

Wir setzen uns mit dem Kakao in den kalten Sand. Es ist still. Ganz still. Und über uns das Weltall.

Eingeschneit in Wyoming

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Eingeschneit in gemütlicher Holzhütte in den Bergen

Auf dem Rückweg nach Hause, nach Wyoming, wo mein Freund lebt, wollen wir in einer abgelegenen Hütte in den Bergen einen Zwischenstopp machen. Denn es sind über 1.000 Kilometer von den Great Sand Dunes nach Hause – und mein Freund ist schließlich mit einem gemeinen German unterwegs, der so lange Strecken am Stück nicht macht.

 

Die Holzhütte liegt am Ende einer 15 Kilometer langen Schotterstraße. Es ist schon dunkel, als wir ankommen. Das Häuschen hat einen Kamin, ein riesiges warmes Bett, ein Bärenfell auf dem Fußboden und einen Bärenkopf neben der Tür. Ich frage gar nicht erst, ob das Vieh echt ist. Ich bin in Wyoming. Das Vieh ist echt.

 

Für den nächsten Tag ist Schnee angesagt. Morgens ist es noch Herbst, dann ziehen dicke Wolken rein und auf einmal ist tiefster Winter. Kurz darauf sind sämtliche Interstates gesperrt. Naja, sämtliche Interstates ist in Wyoming relativ, wo gefühlt nur drei Menschen wohnen. Jedenfalls ist alles dicht. Wir sind eingeschneit. Unsere Vermieterin bedeutet uns, dass wenn keiner rauskommt, auch keine neuen Gäste reinkommen. Wir verlängern also. Zum Glück haben wir noch genug Futter im Auto, denn der nächste Supermarkt ist 50 Kilometer entfernt und – eingeschneit. Wir lassen das Kaminfeuer knistern, lesen gemeinsam ein Buch unter warmen Decken und kochen uns dekadente Weißweinspagetti. Von 100 Grad Fahrenheit in die Arktis in fünf Tagen. Dagegen scheißt Jules Verne ab.

Mit diesen Erlebnissen endet unser einmonatiger Road- und Campingtrip. Ein Trip, der definitiv zu den Highlights in meinem gesamten, bisherigen Reiseleben gehört.

 

Findet mehr zu den tausend Hoodoos im Bryce Canyon, unserer Sonnenaufgangstour mit dem Jeep im Monument Valley, dem Gewittersturm in der Bisti-Wilderness und dem atemberaubenden Ballon-Festival in Albuquerque in meinen vorangegangenen Beiträgen:

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