Wandern auf den Färöer-Inseln: Zwischen peitschendem Sturm und schwebenden Seen.

13. Oktober 2024

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Der Mulafossur und die alte Postroute - eine der schönsten Wanderungen

Hier kübelt es dauernd, ist saukalt und beim Wandern flitscht man ständig im Matsch weg. Ich arbeite als freie Texterin im Tourismusmarketing, wo immer alles „malerisch“, „unvergleichlich“ und „upbeat“ ist. Oft würde ich viel lieber schreiben, wie es wirklich ist – und den Menschen dann sagen, warum sie trotzdem herkommen sollten. Denn ein Ort muss nicht traumhaft, pittoresk, kulturell vielfältig und the latest shit sein, um zu einer besonderen und bereichernden Erfahrung zu werden.

 

Deshalb erzähle ich euch heute von unserem Trip auf die Färöer-Inseln. Einem Stück Land, das in winzige Inseln zerbrochen mitten im Nordatlantik liegt. Felsen im Meer mit Wiese obendrauf – wenn man sie im Nebel sehen kann. Auf den Färöer-Inseln steht man an jeder Ecke am Abgrund, sollte das Haus niemals ohne Regenzeug verlassen, wird potenziell von einer Möwe angeschissen und immer von irgendetwas überrascht.

Wie wir uns über die alte Postroute in ein vergessenes Dorf gekämpft haben, mit einem Van durch einen winzigen, stockdunklen Tunnel mit nur einer Fahrbahn gerumpelt sind und an einem See über dem Ozean standen: packt den Zuckerhut weg – jetzt geht’s raus!

Der Reinfall mit dem Miet-Van

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Da ist die olle Karre...

Wir planen gerade unsere Tour über den isländischen Fernwanderweg Laugavegur, als mir die Idee kommt, dass wir auf dem Rückweg nach Deutschland doch noch für eine Woche auf den Färöer-Inseln zwischenlanden könnten.

 

Jetzt sind wir hier. Mit einem Miet-Van. Wollten mal dieses ominöse Vanlife ausprobieren. Scheiß-Idee. Die Karre von campervans.fo ist die absolute Basis-Schibbel, was von der Beschreibung und den Fotos her nicht unbedingt klar war. Null isoliert, die Standheizung funktioniert nur, wenn man den ganzen Tag mit der Schleuder rumfährt, um eine winzige Batterie aufzuladen, es gibt keine Ventilation und man kann nur draußen kochen. Draußen regnet es. Bei zehn Grad. Drinnen tropft kaltes Kondensationswasser von der Blechdecke. Es ist so romantisch, dass ich das Teil am liebsten auf der Stelle abfackeln würde. Aber brennt ja nicht – regnet.

 

Fazit: Mies ausgestatteter Van in einem Land, das nicht gut für Vanlife geeignet ist. Dödöm. Naja, egal. Zum Glück stehen wir an einem Campingplatz – auf den Färöer-Inseln darf man nicht wildcampen oder freistehen – wo es einen warmen Gemeinschaftsraum mit Sofas, großer Community-Küche und roter Katze gibt. Die Katze reißt es raus. Und die vielen, tollen Wanderungen.

Der Mulafossur und das abgeschottete Dorf hinterm Berg

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Über die alte Postroute zum Mulafossor - steil und wunderschön

Unser erster Trek führt uns zum Mulafossur Wasserfall in der Nähe des Dorfs Gasadalur. Ein Dorf mit einer ganz besonderen und irgendwie seltsamen Geschichte. Das Bild vom Wasserfall, der von einer Klippe ins Meer fällt, ist eines der bekanntesten Motive der Färöer-Inseln. Seit 2004 gibt es einen Tunnel, der direkt durch einen Berg nach Gasadalur und zum Parkplatz des Wasserfalls führt. Zehn Minuten hinfahren, zehn Minuten draufgucken, zehn Minuten wegfahren. Langweiliger ist nur Hefeteig. Kann man da nicht auch wandern? Kann man!

 

Vor 2004 mussten alle Menschen, die in Gasadalur leben (Spoiler: weniger als 20) und alle, die nach Gasadalur oder zum Mulafossur wollten, über die Postroute wandern. Nur 3,5 Kilometer lang ist der Weg, führt aber über einen 434 Meter hohen, steilen Bergpass. Dreimal die Woche ist der Postbote diese Route gelaufen, um Briefe in das abgeschottete Dorf zu bringen. Schiffe können an den schroffen Klippen nicht anlegen, für Helikopter weht oft ein zu krasser Wind. Die Bewohner haben sich bis 2004 fast ausschließlich selbst versorgt. Auf die Frage, was bei Krankheit oder einem Herzinfarkt passiert ist, bekomme ich nordisches Schulterzucken. Verrückt, mit sowas rechnet man vielleicht bei einem abgeschiedenen Stamm im Regenwald – aber nicht mitten in Europa in den 2000ern.

 

Nach dieser Geschichte fahren wir natürlich nicht mit dem scheiß Van durch den Hefeteig-Tunnel, sondern wandern die historische Postroute. Die Ausblicke über das Meer sind wundervoll, der Anstieg steil – und auf dem Rückweg geraten wir auf dem Pass in waagerechten, peitschenden Regen mit Sturm, der wie Eisnadeln ins Gesicht sticht.

Ach ja, der Wasserfall. Der war auch gut. Aber die Wanderung war besser. Und nicht zu vergessen: die Klippen waren voller fliegender Puffins!

Mudpons – wie man auf den Färöer-Inseln nicht ausrutscht

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Mudpons - wie Stoppersocken für matschige Wanderwege

Ein paar Tage später wollen wir einen echten Touristen-Hit sehen: den Kallur Leuchtturm auf der Insel Kolsoy. Der Weg ist total matschig und überrannt, der Leuchtturm ist es nicht wert, steht im Internet. Mir egal, die Wanderung ist nicht umsonst als Highlight der Färöer-Inseln gelistet, manchmal kommt man da um Touristenmassen halt nicht herum (ich bin ja selbst einer) und für die matschigen Pfade auf den Färöer-Inseln haben wir uns vorher noch ausgerüstet: mit Mudpons.

 

Für Wanderungen auf Eis gibt es Crampons (auf Deutsch: Steigeisen), die man sich um die Schuhe schnallen kann, damit man besseren Halt hat. Also hab ich mich gefragt, ob’s sowas auch für Matsch gibt. Gibt es! Das Unternehmen Cnoc Outdoors stellt sie her (Stand: Oktober 2024) und die Moppets sind der Knüller. Sie wirken wie Outdoor-Stoppersocken. Nicht mal mein Freund hat auf unseren vielen Färöer-Wanderungen den Abgang gemacht und er ist normalerweise echt gut darin – selbst ohne Matsch. Wenn er das liest, wird er sich bestimmt freuen, denn er sagt immer, er liebt meinen Humor.

Kallur Leuchtturm und die düsteren Tunnel von Kolsoy Island

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Einspurige Tunnel auf Kolsoy Island auf den Färöer-Inseln

Viele Inseln der Färöer-Gruppe sind durch – teils gebührenpflichtige – Tunnel und Brücken miteinander verbunden. Die Insel Kolsoy nicht. Dort führt nur eine kleine Fähre hin. 12 Autos passen maximal auf den Kahn, mit großen Vans weniger. Vorbuchen lohnt sich. Weil ich so ultra-German bin, haben wir natürlich vorgebucht. Leider hab ich mich als Hauptfahrer eingetragen. Ich bin noch nie mit einem Van gefahren und fühle mich, als würde ich in einem 30-Tonner-Lastwagen von 120 Metern Länge sitzen. Und den soll ich jetzt auf eine Fähre so groß wie die Fußmatte eines Flohzirkus‘ steuern. Ahoi.

 

Dank einer nordisch-ruhigen Einweisung ohne jegliche emotionale Gesichtsregung seitens der Crew, stehen wir und der Van kurz darauf ganz vorne auf der Fähre. Ich versuche, meine Schweißausbrüche zu verarbeiten, bevor mir zu übel vom Seegang wird. Hoffentlich ist dieser beknackte Leuchtturm es tatsächlich mehr wert, als die Leute im Internet sagen.

 

Nach der Landung auf Kolsoy kommt die Mutter aller Schweißausbrüche auf mich zu. Es gibt nur eine einzige Straße mit einer einzigen Spur auf der ganzen Insel – und der Leuchtturm steht natürlich ganz am anderen Ende. Dazwischen liegen vier dunkle Grotten-Tunnel, teils über einen Kilometer lang. Einspurig. Ab und zu sind obskure Ausweichbuchten in den Stein gemeißelt.

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Kallur Leuchtturm - die Aussicht ist grandios, in einfach alle Richtungen!

Zum Glück fahren wir in einer Art Konvoi, da alle Autos auf einmal von der Fähre in dieselbe Richtung strömen. Aber hatte ich erwähnt, dass wir mit ganz vorne auf der Fähre standen? Lead the way, Scotty.

 

Im ersten Tunnel trete ich hektisch auf die Bremse. Liegt da nicht ein riesiger Fels mitten auf der Fahrbahn im Dunkeln?!

Nur ein Schatten, eine optische Illusion. Puh. Ich fühle mich wie ein Neandertaler, der in der Zeit gereist ist und mit einem futuristischen Hover-Board durch seine Höhle rast.

Als wir die vier Tunnel hinter uns haben und endlich die Wanderung zum Leuchtturm beginnen, möchte ich am liebsten Hosianna singen – und duschen gehen.

 

Die Wanderung zum Kallur Leuchtturm ist es definitiv wert! Natürlich ist man nicht allein unterwegs und ja, der Weg war in matschigem Zustand (und soll angeblich bald ausgebessert werden). Aber die Aussicht! Abgründe an gleich drei Ecken, grüne Klippen, blaue Inseln, schäumende Wellen und Seevögel im Wind. Wer hier herkommt, sollte seine Höhenangst zu Hause lassen. Aber wer durch diese Tunnel gefahren ist, hat keine Angst vor gar nichts mehr. Ach ja, auf dem Rückweg hat es natürlich wieder aus allen Schleusen gekübelt.

Der See über dem Meer und der Gewalt der Natur ganz nah

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Der schwebende See über dem Meer auf den Färöer-Inseln

Nach einer weiteren Wanderung vom urigen Dörfchen Saksun (Häuschen mit Wiesen auf dem Dach!) zu einem Bergsattel Richtung Tjørnuvik sowie einem Besuch in der kleinen, sehr sehenswerten National Gallery of the Faroe Islands, haben wir noch einen schwebenden See vor uns.

Hö?

 

Ja, auf den Färöer-Inseln gibt es den Lake above the Ocean. Einen See, der von einer bestimmten Perspektive aus den Eindruck erweckt, hunderte Meter über dem Meer zu schweben, obwohl es eigentlich nur 30 Meter sind.

 

Die Wanderung ist easy und fast komplett flach, der See fließt am Ende in einem Wasserfall in den Ozean. Und das hat mich ehrlich gesagt mehr aus den Socken gehauen, als der Schwebezustand. Ja, der See scheint von der oberen Kante der Klippen tatsächlich wie eine Wolkenschicht über dem Meer zu liegen – doch richtig cool wird es aus meiner Sicht erst, wenn man sich die Mühe macht, abseits des klassischen Aussichtspunkts über die Lava-Felsen nach unten zur Mündung des Sees zu klettern. Wie Milch, die sich aus der engen Tülle einer alten Porzellankanne ergießt, strömt der See von dort als Bøsdalafossur ins Meer, während sich von unten tosende Wellen an den Klippen brechen und dem Wasserfall entgegenkommen. Ein Schauspiel wie ein wilder Tanz der Gewalten der Natur. Eine ganze Weile lang haben wir nur auf den Felsen gesessen und zugeschaut. Mein Video dazu findet ihr hier.

 

Die Färöer-Inseln sind ein Ort, den man zugleich lieben und hassen kann. Hier kommen schrullige Einsamkeit und matschige Touristenpfade zusammen. Ausblicke und Orte, wo der Atem stockt und der Regen nie endet. Plötzliche Momente von Sonne, Sturm und Weite in einem winzig kleinen Land, wo selbst die Fähren und Tunnel nicht größer sind als ein Nadelöhr. Wenn ihr mal auf dem Weg in den Norden seid: schaut vorbei!

 

Weitere Wander- und Nordabenteuer von uns findet ihr hier:

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