Eisfeuer am Matterhorn und Traumreise mit dem Glacier Express– Roadtrip Schweiz II.

5. Juni 2021

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Eisiger "Rauch" am gigantischen Matterhorn - wenn man es findet

„Da ist das Matterhorn!“, rufe ich enthusiastisch während der Fahrt. Mein Freund sitzt am Steuer und ist ebenfalls aufgekratzt. Wir hatten einen langen Fahrtag von Graubünden nach Zermatt und die Sonne versucht bereits, sich rot sinkend zwischen den verschneiten Berggipfeln am Horizont zu verstecken. Ich fuchtele mit meiner Kamera.

Ein paar Kilometer und Kurven weiter sieht der Berg leider gar nicht mehr so sehr nach Matterhorn aus.

„Mh. Vielleicht doch nicht“, sage ich und lösche die Fotos wieder.

Fünf Minuten später deutet mein Freund aufgeregt auf einen anderen Berg, der gerade am Himmel auftaucht. „Das könnte es sein!“

„Boah, ja auf jeden Fall!“, rufe ich und mache neue Fotos. Oder doch nicht. Wo ist denn jetzt dieses verdammte Matterhorn?

 

Wie wir es schließlich doch gefunden haben, wie wir aus Versehen auf einem vertikalen Trainingstrail für Bergsteiger waren und wie wir am Ende an einen paradiesischen Gletschersee rausgekommen sind, erfahrt ihr im zweiten Teil meines Reiseberichts über unseren zweiwöchigen Roadtrip durch die Schweiz.

Außerdem waren wir auf der ersten Fahrt der Saison mit dem weltberühmten Glacier Express (Bucket List oberdeluxe!), haben uns einen 300 Meter hohen Wasserfall mit einer Kuh beguckt und standen Auge in Auge mit Eiger, Mönch und Jungfrau. Jedenfalls sahen sie so aus, als wären sie es. Ich habe sicherheitshalber mal Fotos gemacht. Aber schaut selbst!

Nacht und Schnee – Ankommen in Zermatt

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Sonnenaufgang am Matterhorn - fett!

Es ist stockfinster, als wir schließlich mit dem Zug in Zermatt eintrudeln. Also sehen wir immer noch kein Matterhorn. Vielleicht ist der ganze Berg bloß eine riesige Verschwörungstheorie. Vielleicht hat Bill Gates ihn nach Kalifornien beamen lassen! Und warum sitzen wir plötzlich in einer Bahn? Naja, Zermatt ist autofrei.

 

Wie – wohnt hier die Baerbock oder was? Nein, Zermatt hat einfach keine Lust, sich den Blick auf das Matterhorn mit stinkenden Abgasen vernebeln zu lassen. Außerdem wären die urigen und schmalen Gassen mit den Holzhäusern auch bedenklich eng und parken könnte man dann vermutlich aufgrund des nicht vorhandenen Platzes im Fluss, der türkisgrün durch die Innenstadt schwappt. Deshalb muss man sein Auto außerhalb im Dorf Täsch in einem der vielen Parkhäuser lassen.

 

Die zauberhafte und schweineteure Berg- und Skistadt Zermatt liegt in einem Kessel aus Bergen, der nirgendwo anders endet als am großartigen Matterhorn. Dahinter geht’s einfach nicht weiter. Dementsprechend ist es allerdings auch schwierig, das Horn in der Schweiz von irgendeiner anderen Perspektive aus zu sehen, als direkt von Zermatt aus.

 

Am nächsten Morgen ist es hell. Was für eine Überraschung. Und da ist auch das Matterhorn. Noch krassere Überraschung. Wie ein spitzes Baiser-Häubchen ragt es weiß mit seinen 4.478 Metern über der Stadt auf. Markant, alleinstehend, majestätisch. Anfang Mai liegt hier noch viel Schnee und einige der berühmten Spiegelseen, in denen das Matterhorn reflektiert (Stellisee und Riffelsee), sind noch zugefroren und zugeschneit. Schade.

Matterhorn-Training und eine Bergsee-Tour

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Der wunderschöne Leisee im Schnee, juchee!

Doch es gibt auch Seen, die etwas tiefer liegen und schon frostfrei sind. Da wollen wir hin. Wir machen uns auf den Weg zum 5-Seenweg. Normalerweise ist er 9,8 Kilometer lang und man fährt mit einer Seilbahn zum Startpunkt. Weil es aber noch so winterlich ist, fahren nicht alle Bahnen. Wir latschen also von Zermatt aus los und wollen die unteren beiden Seen, den Leisee und den türkisen Gletschersee Mosjesee, in Angriff nehmen.

 

Irgendwie landen wir dann aber auf einer extrem steilen Piste, die in eine fast senkrechte Wand führt. „Nicht schon wieder“, sagt mein Freund, bevor er absegelt und sich den Arm aufschürft. Ich falle fast in Ohnmacht, weil ich kein Blut sehen kann. Dann trete ich in ein Schneeloch und bin bis zum Knie weg. Wir hatten schon mal so ein mittleres Bergdrama, vor zwei Jahren, das beinahe ungut ausgegangen wäre. Dementsprechend fühlt sich das Ganze gerade wie ein verkacktes Déjà-vu an.

Als wir irgendwann einen normalen Trail erreichen, sehen wir ein Schild: Matterhorn-Besteigung Trainingspfad. Na, das erklärt einiges. Wir beschließen, nicht weiter fürs Matterhorn zu trainieren und auf einem normalen Weg weiterzugehen.

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Wunderschöner Mosjesee

 Von dort erreichen wir auch bald den Leisee. Blau liegt er zwischen hohen Schneemassen, die aussehen, als würden sie gleich durch Klimaerwärmung abbrechen und wegschwimmen. Das Matterhorn hat sich inzwischen aus den Wolken gearbeitet und ist von zerfaserten Wattebäuschen umringt. Als wäre es kaltes Feuer mit Eis-Rauch.

 

Nur zwanzig Minuten vom Leisee entfernt liegt der Mosjesee, der einfach surreal aussieht mit seiner grünen Gletscherfarbe. Der Wind ist eisig, die Sonne scheint. Sonst ist es still. Wir sind allein und die Natur tost um uns herum mit ihren gewaltigen Farben, ihren schroffen Berghängen, die wunderschön sind wie ein zartes Aquarell und den Adlern, die über uns am offenen Himmel kreisen. Und mittendrin das majestätische Matterhorn. Das nicht einfach nur irgendein Berg ist. Es hat einen ganz eigenen Geist. Eine Ausstrahlung. Die einen bescheiden, bezaubert und bewegt zurücklässt.

„Sarah, diese Welt ist wunderschön“, sagt ein Freund leise. Ich nicke. 

Traumreise mit dem Glacier Express

Zugfahrt Glacier Express, Lonelyroadlover
Traum-Zugfahrt mit dem Glacier Express - und Liebe

Nach drei Tagen in Zermatt machen wir uns mit der Bimmelbahn auf nach St. Moritz. Vier Regionalbahnen und 7 Stunden. Was soll das? Wird einem da nicht der Hintern platt? Klar, auf jeden Fall. Aber es gibt einen guten Grund für den platten Hintern: Wir wollen nämlich am nächsten Tag mit der ersten Fahrt des weltbekannten Glacier Express’ von St. Moritz zurück nach Zermatt fahren.

 

Die Schweiz ist berühmt für ihre alpinen Traumstrecken auf Gleisen. Es gibt gleich mehrere Zugreisen, die ihr im Land unternehmen könnt. Doch der Glacier Express ist irgendwie die Queen unter diesen Trips. Rund 290 Kilometer lang führt die Bahnstrecke über 291 Viadukte, durch 91 Tunnel, durch die teils 400 Meter tiefe Rheinschlucht und über den 2033 Meter hohen Oberalp-Pass. Und weil die Höhenunterschiede so extrem sind, wechselt die Bahn zwischendurch immer wieder auf ein Zahnradgetriebe. Normale Bahnen schaffen etwa 75 Meter Steigung pro Kilometer und Zahnradbahnen 300 Meter.

 

Wir steigen in St. Moritz ein (mega hässliche und übertrieben teure Stadt mit Hotelbunkern – sorry!). Der blitzrote Zug steht schon am Gleis. Innen sind die Waggons mit sauberem Teppich ausgekleidet und schicken Holzleisten verziert, in die Alpenblumen graviert sind. Die riesigen Panoramafenster reichen bis ins Dach. Der Glacier Express ist noch nicht ganz angefahren, da gibt’s schon eine Runde Riesling. Eine komplette Fahrt mit dem Zug kostet aktuell rund 200 Euro pro Person [Mai 2021]. Man kann aber auch unterwegs dazusteigen. Ich würde allerdings immer die ganze Strecke fahren. Ich meine, man lebt nur einmal.

Von der Rheinschlucht auf den Oberalp-Pass

Über Viadukte durch die Alpen - der Glacier Express
Über Viadukte durch die Alpen - der Glacier Express

Von St. Moritz gleitet der Zug fast lautlos durch die ersten Tunnel und über massive Brücken mit meterhohen Steinbögen durch verschneite Wälder und entlang von schroffen Berghängen. Wir schippern bis hinunter nach Chur, wo Rapsfelder gelb blühen und Schafe verwundert glubschen. Dann fahren wir durch die wunderschöne Rheinschlucht, die auch als der „Grand Canyon der Schweiz“ bezeichnet wird. Ich war auch schon am echten Grand Canyon und kann über die Rheinschlucht nur sagen: Heiliges Blechli, ist das atemberaubend!

 

Von dort ziehen die Höhenmeter ordentlich an, bis wir laut klickend auf Zahnräder wechseln. Wir werfen uns eine Brezel aus der Bäckertüte ein, weil neben dem Zugticket nicht auch noch das arschteure Mittagsmenü des Glacier Express’ drin war. Der Zug ächzt jetzt auf den Oberalp-Pass hinauf. Eine ganze Weile fahren wir durch Tunnel. Und dann – wow – schießen wir ans Tageslicht entlang von riesigen, blendend weißen Schneewänden. In diesem Moment springen alle Passagiere im Zug auf und ein Raunen rauscht durch das Abteil. Gänsehaut. Der Zug gleitet durch die unwirkliche Landschaft aus Eis, Gletscher und Schnee. Neben den Gleisen führt auch eine Straße längs, auf der Motorradfahrer und Fahrradfahrer (!) anhalten und ihre Handys herausholen, um den Glacier Express abzulichten. Ich winke.

Mit Schweizer Musik durch die Dunkelheit

Schneewände am Oberalp-Pass
Schneewände am Oberalp-Pass

Anschließend geht es hinunter ins Bergdorf Andermatt, wo wir eine kurze Pause machen. Mein Freund und ich steigen aus. Die Luft ist eiskalt, der Himmel knallblau. „Ich bin so froh, dass wir das hier machen“, sage ich. „Zusammen.“

Er nimmt mich in den Arm. Dafür leben wir.

 

Dann fährt der Glacier Express durch den 16 Kilometer langen und dunklen Furka-Basistunnel unterhalb des Furkapasses. Am Sitz ist eine Konsole wo man über Kopfhörer einen echt tollen Audio Guide hören kann – oder traditionell schweizerische Musik. Das machen wir jetzt einfach mal. Ist ja eh dunkel. Danach zeige ich meinem Freund auf dem Handy Fotos von traditioneller Kleidung in der Schweiz und Bayern.

„Ist doch schön, wenn Tradition bestehen bleibt. Zwing mich nur nie dazu, das anzuziehen“, sagt er diplomatisch.

Von dort geht es hinab ins Tal auf 600 Höhenmeter bis Visp. Nur, damit der Zug danach noch einmal die Zahnräder anschnallen kann, während er hinauf nach Zermatt schnauft.

„Wo ist denn eigentlich das Matterhorn?“, frage ich und grinse. Mein Freund blickt mich an, als wollte er sagen Nicht schon wieder. Aber dafür ist er zu nett.

Ein Wasserfall aus Staub und das Jungfraujoch

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Der unglaubliche Staubbachfall

Auf dem Weg zurück nach Basel und Deutschland machen wir noch einen Stopp bei einer sehr berühmten Bergformation: Eiger, Mönch und Jungfrau. Mit dem Jungfraujoch.

Doch statt noch einmal 200 Euro auszugeben – denn so viel kostet eine (Seil)bahnfahrt auf das Jungfraujoch [Stand Mai 2021] – wandern wir nach Lauterbrunnen.

 

Was es da gibt – mitten zwischen Biergärten und Souvenirs? Einen fetten Wasserfall! Den Staubbachfall. Er fällt von einer riesigen Klippe beinahe mitten in das Dorf. 297 Meter ist er hoch. Und weil er so steil fällt, zerstäubt das Wasser auf dem Weg nach unten. Die Tropfen scheinen mehr oder weniger einfach wegzuwehen. Deshalb auch Staub-Bach. Ein unfassbares Phänomen. Findet auch eine Kuh, die neugierig in meine Kamera guckt und laut muht, als ich sage, sie soll mal lachen.

Ein Foto davon findest du unten in meiner Bildergalerie.

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Das Jungfraujoch mit Wolkenwelle

Gegenüber des Staubbach Falls liegen Eiger, Mönch und Jungfrau. Mein Freund und ich haben beide mal ein bewegendes Drama über die Eiger-Nordwand gesehen. Wir sind fasziniert. Deshalb wandern wir die ganzen 297 Meter bis zum Rand des Staubbach Falls hinauf, von wo sich ein atemberaubender Blick auf die Bergformation auftut. Als wir hinschauen, scheint genau über das Jungfraujoch eine lautlose Welle aus Wolken zu brechen. Ganz kurz stehen wir einfach nur da. Atmen ein und aus.

 

Zwei Wochen in der Schweiz. Eine der besten Reisen, die wir je gemacht haben. Große Naturwunder, faszinierende Panoramazüge, tiefe Schluchten, uralte Städte, irre Brücken, reißende Flüsse. Abenteuer. Und ja, sogar ein Matterhorn.

 

Den ersten Teil unserer Reise von Bern nach Luzern über die Viamalaschlucht findest du im Bericht Gletscher-Augen und das Haus am See – Roadtrip Schweiz I.

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