Fahr doch zur Wüste! 5.000 Kilometer Roadtrip durch Utah und Colorado.

19. Oktober 2019

Great Sand Dunes National Park, Liebe, USA Roadtrip
Ich und du und die Unendlichkeit der Welt

Das Neonlicht der Tankstelle gleißt in der totalen Finsternis. Ich beuge mich im warmen Wind über das Auto und kratze ein monströses Insekt von der Scheibe. Am Horizont schiebt sich eine schwarze Wolkenwand über den Himmel und ein intergalaktischer Blitz erhellt die Einsamkeit der Wüste für das Blinzeln einer Sekunde. Wir sind in Green River, Utah. Nur einen Katzensprung entfernt vom Arches National Park. Also ungefähr so weit weg wie nach Alpha Centauri und zurück. Schnell noch einmal auftanken, bevor wir über Nacht in unsere Geisterstadt ziehen. Wo das einzige noch lebende Gebäude tatsächlich unser Motel ist. Mein Freund sagt irgendwas Beklopptes und ich schubse ihn liebevoll gegen das Auto. Wir stellen fest, dass wir keinen Wein gekauft haben und morgen um fünf Uhr aufstehen müssen, um uns einen romantischen Sonnenaufgang anzusehen. Das Leben kann schon hart sein.

Dann zwiebeln wir los in die Unendlichkeit. Ich lege meine Füße auf das Armaturenbrett und wir hören Bon Iver.

 

Das ist die Geschichte von einem feuerroten Felsentor, Canyons, die wie Gänsehälse aussehen, und einem fantastischen Roadtrip mit meinem wundersamen Doppelgänger.

Flaming Gorge: Was ist das für ein verdammtes Schiff?

Flaming Gorge, Sehenswürdigkeiten Wyoming, Canyon USA
Die Flaming Gorge - ohne Schiff

Die Flaming Gorge breitet sich wie ein dunkelblaues Samtband zwischen den braunen Felsenzähnen aus. Ich möchte gerade ein postkartengeiles Foto machen, als ein Motorboot durch die spiegelglatte Oberfläche zimmert. „Was ist das denn für ein scheiß Schiff?!“, sage ich laut. Mein Freund lacht. Wir warten, bis es weg ist. Dann wandern wir durch sandige Kiefernwälder am Rand des Canyons. Ganz natürlich ist die Umgebung übrigens nicht. Die Flaming Gorge gehört zu einem Stausee. Ohne den Damm sähe es hier ganz anders aus. Den alten Betonklotz sieht man aber zum Glück von hier aus nicht. Dafür gibt es andere Ärgernisse. Ich starre in den Abgrund und auf die Kamera. „Wieso fährt jedes Mal, wenn ich ein verschissenes Bild machen will, dieses bekloppte Boot durch das Motiv!“

Als es schließlich ein Stück weiter zum dritten Mal passiert, fange ich an, an Kornkreise zu glauben.

 

An einem Aussichtspunkt steht ein junger Mann, der ein Stativ aufgebaut hat. Mein Freund geht auf ihn zu. Wahrscheinlich will er ihm irgendwas Geologisches über Granit und Vulkanstein erklären. Das macht er ganz gerne und dafür liebe ich ihn.

„Du musst aufpassen“, sagt er dann sehr ernst zu dem Mann. „Ich habe gehört, hier treiben sich sogenannte Scheiß-Schiffe rum, die Fotografen so richtig wütend machen.“

Ich renne fast hinter den nächsten Baum, weil ich so lachen muss.

Die Park Avenue im Arches National Park

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Der wundervolle Park Avenue Trail im Sonnenuntergang

Die kommenden Tage verbringen wir im Arches und Canyonlands National Park. Es ist später Abend, als wir eintreffen. Endlich! Ich habe den Arches National Park 2017 auf meiner großen Solo-Reise verpasst und bereue es seitdem mehr oder weniger lautstark. Mein Freund parkt auf einem Stück Asphalt, das so spannend aussieht wie ein Rastplatz bei Bielefeld. Dann steigen wir ein paar Stufen hinauf und mir gefriert der Atem. Eine riesige, rote Schlucht reißt vor meinen Augen auf. Links und rechts Felsen, die aussehen, wie dünne, aufgeschlagene Bücher. Das Licht ist warm und geheimnisvoll und ich habe das Gefühl, urplötzlich in die goldenen Ruinen einer Kathedrale getreten zu sein. Wir wandern gemeinsam den Einschnitt hinunter. Es ist nichts zu hören außer unseren Schritten und einem magischen Wind, der zu singen scheint. Ich weiß, dass das einer dieser Momente im Leben ist, die man so schwer in Worte packen kann wie Liebe in Geschenkpapier. Es ist überwältigend. Der Arches National Park schießt binnen Sekunden auf Platz zwei meiner Nationalparks in den USA (nach Yellowstone). Dagegen können sie den Grand Canyon mit Kies zuschütten!

Die Unheimlichkeit eines Doppelgängers

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Ich im Canyonlands National Park

Es ist fünf Uhr, als der Wecker geht. Leider geht er nicht wirklich, sonst wäre er ja weg und würde mich nicht nerven. Im Stockfinsteren fahren wir los. Wir wollen zum Delicate Arch wandern und uns dort den Sonnenaufgang ansehen. Der Arches National Park ist als International Dark Sky Park zertifiziert. Damit gilt er als perfekter Ort zur Beobachtung von Sternen und soll auch in Zukunft vor Lichtverschmutzung geschützt werden. Ich drücke meine Nase ans Fenster, um zu herauszufinden, ob ich die Milchstraße noch sehen kann oder es schon zu hell ist. Am Horizont schimmert bereits ein schmaler, blauer Streifen.

„Ich frage mich, ob man die Milchstraße noch sieht“, sagt mein Freund.

 

Wir denken dauernd das Gleiche. Manchmal fangen wir sogar zeitgleich an, das Gleiche zu sagen. Wir haben unsere Bucket Lists verglichen und fast dieselben Orte („Taj Mahal“) und Dinge („Skydiving“) gefunden. Wir haben dieselbe Einstellung zum Reisen, zum Leben und sogar zu der Art, wie wir mal sterben und beerdigt werden möchten. Manchmal sehen wir uns lange an. Sehr lange. Dann ist da diese Stille. Als würden die Sterne vom Himmel fallen.

„Du bist mein weiblicher Doppelgänger“, sagt er. Ich weiß, dass er recht hat und dass ich so was Verrücktes noch nie in meinem Leben erlebt habe.

Sonnenaufgang am Delicate Arch

Delicate Arch, Arches National Park, Sonnenaufgang
Das Delicate Arch bei Sonnenaufgang - BÄM!

Wir rennen 1,5 Kilometer lang wie die Irren im Dämmerlicht über Felsen und staubige Pfade. Die Sonne geht bald auf und wir sind spät dran. Ich habe 30 Jacken an, weil ich dachte, dass es morgens früh kalt ist. Ist es auch. Aber mein Freund galoppiert den Hügel wie eine Bergziege rauf und ich renne asthmatisch seinem Schatten hinterher, während ich versuche, eine Jacke nach der anderen auszuziehen, ohne stehenzubleiben oder so zu wirken, als wäre ich kurz vorm Abscheißen.

 

Fünf Minuten vor Sonnenaufgang sitzen wir auf den sandigen roten Felsen vor dem gigantischen Delicate Arch, das einfach mal so in der Gegend rumsteht als hätte es irgendein da Vinci da hingeknallt. Ein Haufen anderer Fotografen ist bereits da, doch niemand brüllt oder stampft durch die Szenerie. Alle sitzen schweigend unter dem sich langsam rosa färbenden Himmel. Ich stürze eine Gallone Wasser in mich rein und biete meinem Freund auch was an. „Nö, wieso denn?“, fragt er entspannt. Ich tupfe mir heimlich den Schweiß aus den Augen und behaupte, es wäre Tau.

Dann kriecht der goldene Schein der Morgensonne langsam über die Spitzen der Berge. Wie schimmernde Lava schiebt sie sich unaufhaltsam über die gesamte Landschaft. „Holy shit moly!“, sage ich leise. Mein Freund grinst und legt seinen Arm um mich. Ich sehe die Sommersprossen auf seiner Haut und weiß, dass ich an keinem anderen Ort der Welt sein möchte.

Moki Dugway: eine waghalsige Straße über dem Abgrund

Der Goosenecks State Park, Utah, Roadtrip USA
Der Goosenecks State Park - perfekter Name!

Einige Tage später sind wir am Goosenecks State Park. „Ich dachte, das wäre nur so ein Fluss, der durch einen Wald verläuft“, brüllt mein Freund gegen den tosenden Wind. Er hat ein Foto gemacht, auf dem es aussieht, als würden meine Haare waagerecht vom Kopf abstehen. Keine Ahnung, was hier los ist. Schön ist es trotzdem. Der San Juan River hat sich hier so verrückt in die Felsen gegraben, dass die Landschaft tatsächlich aussieht wie der Hals einer Gans oder eines Schwans.

 

Danach fahren wir den Moki Dugway hinauf. Eine absolut fantastische Dirt Road, die sich in eine senkrechte Felswand schneidet. Seit ich meinem Freund 2017 davon erzählt habe, wollte er diese Straße fahren. Er sitzt hinter dem Steuer wie ein kleines Kind, das Weihnachtsgeschenke gefunden hat. „Oh mein Gott, das wollte ich immer schon machen. Oh mein Gott, ist das toll!“, ruft er und trommelt auf das Lenkrad. Ich liebe seinen Enthusiasmus, seine Abenteuerlust und die kleine Schraube, die er locker hat.

Der Moki Dugway ist 4,8 Kilometer lang und überwindet dabei 335 Meter. Trucks und Wohnwagen sind wegen der extrem engen Kurven und der Steigung nicht erlaubt.

Felswand-Dörfer in der Mesa Verde und eine tiefe Schlucht

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Ruinen der Anasazi im Mesa Verde National Park

Nach etwa einer Woche landen wir in Colorado. Eines unserer Ziele ist der Mesa Verde National Park. Hier verbergen sich die Ruinen von Ureinwohnern – Anasazi –, die ihre Dörfer mitten in die Wände von steilen Canyons gebaut haben. In den Höhlen und Rissen der Felsen kauern eckige Sandsteinhäuser wie eine Special-Edition von Lego. Um überhaupt dort hinzukommen, mussten die Menschen sich damals abseilen und Tritte in den Stein schlagen. Was für ein verrückter Ort zum Leben! Mitten im Abgrund. Von 550 bis etwa 1200 nach Christus hausten die Anasazi hier, bauten Getreide an, töpferten und wären sicher begeistert, wenn sie wüssten, dass ihr Klo heute UNESCO Weltkulturerbe ist.

 

Einen Tag später sind wir am Black Canyon of the Gunnison. Beim ersten Mal lese ich sinnigerweise „Black Canyon of the Guinness“. Der finstere Canyon gehört zu den engsten Schluchten Nordamerikas. An einer Stelle sind beide Seiten nur 345 Meter voneinander entfernt. Bläulich schlängelt sich der Fluss durch das tief eingeschnittene Tal. Mich juckt es in den Fingern, bis auf den Grund zu wandern, wofür man jedoch eine besondere Erlaubnis benötigt und eine Menge Zeit, die wir leider nicht haben.

„Nächstes Mal wandern wir da aber runter“, sagt mein Freund und späht mit leuchtenden Augen in die Tiefe.

Sanddünen in den Bergen!

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Weltentdecker ♥

Bevor wir am Ende unseres Trips ankommen, machen wir noch einen kurzen Zwischenstopp in der Sahara. So zumindest sehen die massiven Sanddünen aus, die sich einfach mal mitten in den Bergen Colorados verstecken. Und weil wir noch nicht genug Superlative hatten, sind sie einfach mal die höchsten Sanddünen Nordamerikas. 230 Meter hoch ist die größte von ihnen. Natürlich müssen wir da rauf! Die Nachmittagssonne wirft scharfe Schatten an die steil abfallenden Kanten. Wanderwege gibt es hier nicht. Man rennt einfach mitten in den Sand. Apokalyptische Krater und Wände aus nichts als Sand türmen sich im sanften Licht riesenhaft vor uns auf. Nach ein paar Minuten habe ich das Gefühl, auf Plateauschuhen zu laufen. Im warmen Wind kämpfen wir uns höher und höher und erreichen schließlich den schmalen Kamm der höchsten Düne. Um uns herum schwappen die unsteten Formationen bewegungslos wie ein gefrorenes Meer. Etwa 12.000 Jahre alt sind die Great Sand Dunes. Entstanden durch Ablagerungen des Rio Grande.

Als es dunkel wird, rennen wir Hand in Hand barfuß ins Tal, sodass uns der Sand in den Haaren und zwischen den Zähnen klebt.

Unten liegt nur noch ein rosa Schimmer über der Landschaft. Wir setzen uns auf einen Baumstamm. Dann ist da diese Stille. Als würden die Sterne vom Himmel fallen.

Kommentare: 2
  • #2

    lonelyroadlover (Sonntag, 20 Oktober 2019 19:26)

    Hi Peter! Ja, es ist wie in einem verschissenen Film. Manchmal denke ich, nä, das ist gar nicht wahr. Aber dann hab ich ja auch so ziemlich alles umgekrempelt im Leben, dass ich endlich mal sagen kann: Doch, ist aber wahr! :D
    Na, ich bin sicherlich auch nicht der größte Fan der amerikanischen Politik. Und ein paar kulturelle Besonderheiten gibt's da auch, auf die ich nicht so scharf bin. Aber die Landschaft ist FAN-TAS-TISCH und die Leute auch. Sowas von gastfreundlich und großzügig. Naja und dann habe ih zufällig noch meinen Mann gefunden. Was will man mehr. :D
    Und den Satz "im nächsten Leben" will ich nicht hören. Es gibt kein nächstes Leben. Wenn du mal richitg Bock hast, in die USA zu kommen, dann kannst du ein paar Tage bei uns wohnen. Für umme natürlich.
    GRÜSSE aus dem Irrenhaus!
    Sarah

  • #1

    Don Pedro (Sonntag, 20 Oktober 2019 13:46)

    Hai Ihr Zwei,
    es klingt so phantastisch, dass ich heulen könnte.
    Wenn ich, trotz guter Kontakte, nicht so eine Abneigung auf die USA hätte, wäre ich schon längst drüben. Die Landschaften werden so irre beschrieben, dass es fast ein MUST HAVE ist.
    Vielleicht im nächsten verfickten Leben?

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