Aruba – was ist das eigentlich? Irgendeine Insel in der Karibik, wo einem Kokosnüsse in den Bananenshake fallen. Mehr wusste ich nicht, als ich festgestellt habe, dass Aruba aktuell ein Schlupfloch ist. Für alle, die zu ihrem Partner in die USA reisen möchten und die Grenzschließungen für Europäer umgehen wollen. Also habe ich kurzerhand die Beach Boys angeschmissen, einen Flug gebucht und mir gedacht, was kann man schon falsch machen mit einer 16-tägigen Reise auf so ein Bahamas-Gedöns. Als erstes: Aruba liegt 1.500 Kilometer von den Bahamas entfernt und bloß 50 Kilometer vor dem Festland Venezuelas. Damit befindet es sich nicht in Hurrikan-Gebiet, was von Vorteil ist, wenn man nicht will, dass einem gleich das Blech wegfliegt. Aruba war außerdem mal niederländische Kolonie. Noch heute gehört das Land zu Holland, ist aber im Inneren vollkommen autonom. Klingt komisch, ist aber so. Außerdem ist die Insel nur 31,5 Kilometer lang und 9,6 Kilometer breit, die Leute sprechen vier Sprachen und es gibt wegen der Nähe zum Äquator keine Jahreszeiten, sondern nur Sommer. 30 Grad, Sonne, fünf Millionen Prozent Luftfeuchtigkeit. Jeden Tag. Naja. Fast jeden Tag.
Denn hier sind die Dinge, die ich nicht auf dem Papier, sondern in der Realität gelernt habe: Wenn du zehn Kilometer mit dem Fahrrad zu einem Berg fährst, bricht ein Tropensturm los; die Hälfte der Insel ist nur mit Offroad-Fahrzeugen zugänglich und Flamingos sind so groß, dass sie einem in die Schulter zwicken können. Hier kommen meine verrückten und überraschenden Abenteuer auf der Schatzinsel Aruba mit abschließenden Tipps für eure eigene Reise.
Aruba ist klein. So viel ist klar. Statt eines Mietwagens für 600 Tacken habe ich mir deshalb für zwei Wochen ein Fahrrad für 100 Dollar geliehen. Kurz darauf stelle ich fest: Es ist ein südamerikanisches Fahrrad. Von drei Gängen funktioniert nur einer, die Bremsen brauchen einen Vorlauf von 500 Metern, bis sie greifen, und Licht gibt’s gar nicht. Mit diesem Vehikel möchte ich zum Hooiberg fahren, der mit seinen 165 Metern quasi zu den Alpen der Insel gehört. Sind ja nur fünf Kilometer one-way von meinem Airbnb bis dorthin. Kurz darauf stelle ich fest: Die Straßen sind auch südamerikanisch. Schotterpisten, Sandhügel, Schlaglöcher so tief wie der Marianengraben, ausrastende Straßenhunde und röhrende Pick-ups mit abgerissenen Auspuffrohren begleiten meinen fröhlichen Ausflug. Das alles bei 30 Grad und fünf Millionen Prozent Luftfeuchtigkeit.
Völlig tot und mit brennender Lunge komme ich am Hooiberg an, auf den ich dann natürlich auch noch raufsteigen will. Verdammt. Als ich irgendwann an der Spitze angekommen bin, sind die Kakteen so hoch, dass ich außer Stacheln und blöden Sendemasten direkt neben mir nicht wirklich etwas sehe. Außer violetten Wolken am Horizont, aus denen eine weiße Wand zu Boden stürzt. Genau in diesem Moment bekomme ich heftige Unterleibskrämpfe, die ich meiner dämlichen, chronischen Krankheit Colitis Ulcerosa zu verdanken habe. Ich muss mich setzen, weil ich das Gefühl habe, dass ich sonst einfach umkippe. Es donnert.
Als der Regen hereinzieht, schaffe ich es gerade noch zu einer kleinen Schutzhütte. Dort setze ich mich auf den Boden, um festzustellen, dass das Dach undicht ist. Außerdem ist das kein normaler Regen. Wind peitscht, die Tropfen sind so groß wie Murmeln, der Berg wird innerhalb von Minuten zu einem Schokobrunnen aus Schlamm. Immerhin sind es weiterhin 32 Grad. Auf einmal muss ich lachen. Was ist das denn alles schon wieder für eine bekloppte Scheiße? Ich brülle „I’m singing in the rain!“ in den tosenden Tropensturm. Als ich nach 40 Minuten endlich keine Schmerzen mehr habe und kein Ende des Unwetters in Sicht ist, ziehe ich meine Schuhe aus, stopfe sie in den klammen Rucksack und gehe los. Bäche schießen über die Treppenstufen nach unten. Wo mein Fahrrad steht. Ich könnte jetzt versuchen, ein Taxi zu rufen. Aber natürlich hat mein Handy keinen Empfang.
Ich beschließe, dass ich jetzt dieses scheiß südamerikanische Fahrrad und mich irgendwie nach Hause bekommen muss. Zu Fuß. Alleine. So! Ich schwinge mich auf den triefenden Sattel und fahre mitten in den donnernden Regen, der mir so sehr in die Augen fegt, dass ich alle zehn Meter anhalten und mir das Gesicht abwischen muss. Dann erkenne ich das nächste Problem: Die südamerikanischen Straßen laufen über. Aus einem Gully sprießt der Tervibrunnen und an manchen Stellen muss ich absteigen, weil sogar die Autos schon bis zum Unterboden in Wasser versinken. Alles ist voller Brackwasser und Chaos, Hunde bellen, Fahrzeuge hupen.
Nach knapp einer Stunde bin ich an meinem Airbnb. Vollkommen durchweicht aber ziemlich selbstbewusst und sehr sicher, dass mich jetzt nichts mehr aufregen kann.
Nach ein paar Tagen an weißen Stränden mit türkisem Ozean bin ich bereit für ein weiteres Abenteuer. Dieses Mal in Form einer Jeep-Tour durchs Hinterland. Gut, der angekündigte Jeep ist ein Toyota, aber Toyota-Tour klingt auch irgendwie scheiße. Weil ich als einzige Person alleine teilnehme, darf ich vorne neben der Fahrerin sitzen. Sie stammt aus Jamaika, ist die einzig weibliche Fahrerin in einem Team aus 21 Männern und eine ziemlich coole Sau, der man nicht im Dunkeln begegnen möchte. Wir schottern mit luxuriöser Federung und dicken Reifen über die südamerikanischen Straßen, sehen fabelhafte Street Art in St. Nicolas, die surreal-blaue Lagune des Baby Beach und den Knast direkt an der Küste. „Daraus ist mal ein super-gefährlicher Spanier abgehauen“, erklärt die Jeep-Lady. „Der hatte alles durchorganisiert, die Mitarbeiter bestochen und sogar ein Boot draußen auf dem Meer am Start. Man hat nie wieder von ihm gehört.“ Ich muss an Alcatraz denken. Gefängnis mit Aussicht. Die größte Strafe: Der Blick auf das, was man nicht haben kann.
Dann fahren wir in den Arikok Nationalpark. Den hatte ich mir eigentlich mit dem Fahrrad ansehen wollen. Nachdem wir bei 35 Grad über riesige Felsbrocken vom Ausmaß des Mondes gerumpelt sind, bin ich mir sehr sicher, dass das eine noch beschissenere Idee gewesen wäre als der Hooiberg im Tropensturm.
Es stellt sich heraus, dass die komplette östliche Seite Arubas quasi unbewohnte Wüste ist. Wir fahren einen steilen Hang über monströses Geröll hinunter zu ein paar natürlichen Wasserpools. Dort gibt es Brillen und Schnorchel für alle. Ich fühle mich kurz wie ein Haubentaucher mit Reagenzglas auf dem Kopf. Doch dann sehe ich die fantastischsten, bunten Fische unter Wasser. Blaue mit gelben Streifen, schwarze mit orangefarbenen Punkten und eine neonfarbene Seegurke. Alles direkt vor und unter mir. Es ist, als wäre ich kurz in ein anderes Universum abgetaucht. Wow.
Zum Abschluss geht es an den Ruinen einer ehemaligen Goldmühle vorbei. Ja, auf Aruba hat es im 19. Jahrhundert einen Goldrausch gegeben. Keine Ahnung, warum ich etwas paranoid auf die Steine starre und hoffe, dass irgendwo etwas glitzert. Wahrscheinlich habe ich zu viel „Pippi Langstrumpf in Taka-Tuka-Land“ gelesen.
Wir fahren über roten Sand vorbei an einer wilden Küste mit gigantischen Wellen. „Hier ist Schwimmen verboten“, sagt unsere Jeep-Toyota-Fahrerin. „Das Wasser ist viel tiefer und kälter als auf der anderen Seite der Insel.“
„Kann man denn surfen?“, fragt ein amerikanischer Teilnehmer hoffnungsvoll.
„Das Schwimmen ist verboten, weil es hier Haie gibt“, informiert Big Mama, bevor sie beinahe über einen Lurch fährt und behauptet, die wären fix und es sei schon nichts passiert. Keine weiteren Fragen.
Wenn man Aruba googelt, stößt man unumgänglich auf Fotos von Flamingos an einem weißen Strand. Wenn man dann weiter googelt, findet man nicht nur bekloppt posende Instagrammer, sondern auch, dass die Flamingos nicht natürlicherweise auf Aruba leben, sondern einst hergebracht wurden und jetzt heimisch sind. Wer dann ganz trickreich ist, liest im Kleingedruckten, dass es sie nur auf Renaissance Island gibt, die eine Privatinsel ist und allein für Gäste des Renaissance Hotels zugänglich. Es gibt allerdings Tagespässe für das gemeine Fußvolk. Und Fahrradvolk. Die kosten mal eben 100 Euro pro Person, führen einen aber in ein absurd-surreales Paradies, das man einfach gesehen haben muss.
Ich nehme gleich die erste Fähre um 7 Uhr morgens. Das Motorboot rast über das Meer und dockt dann an einem Steg mit Korbsesseln und gelben Laternen an. Auf Renaissance Island gibt es zwei Lagunen. Einmal den Flamingostrand und einmal den Leguanstrand. Ich laufe direkt zum Flamingostrand. Obwohl die Bilder im Internet und der Name des Strands keine Zweifel zulassen, ist der Moment, in dem ich die pinken, eleganten Vögel im türkisen Wasser sehe, einfach überwältigend. Sechs Flamingos stolzieren im seichten Wasser auf und ab, die Federn sind im Wind aufgeplustert.
Natürlich sind direkt ein paar Gucci-Models am Start, die ihren glitternden Hintern für ein paar Handyfotos zwischen die pinken Tiere setzen und mich ein bisschen in den Wahnsinn treiben. Ich liege derweil mit Knien und Ellbogen im nassen Sand, um die perfekte Perspektive auf die Flamingos zu bekommen. Sie haben stechend gelbe Augen und sind sehr viel größer, als ich dachte. Sogar ihre Füße sind rosa!
Danach mache ich es mir auf einer der Strandliegen bequem. Kurz darauf kommt eine Kellnerin von der nahegelegenen Cocktailbar vorbei, bringt mir Menükarten und versichert mir, dass sie mir das Mittagessen gerne direkt an die Liege serviert. Ich komme mir vor wie Gott in Frankreich – und auch ein bisschen blöde. So ein Luxus-Gedöns ist einfach nicht meins. Trotzdem schwebt gegen Mittag ein dicker Burger mit Pommes in einer Bambusschüssel direkt vor meine Nase. Inklusive Pfirsich-Smoothie. Kurz darauf kommt ein kleiner, gelber Vogel und stibitzt immer wieder etwas von meinem Smoothie. Dann transportiert ein blauer Lurch ein heruntergefallenes Stück Pommes ab. Als dann ein dicker Leguan von einem halben Meter auftaucht und anfängt, meinen Ketchup zu essen, ist aber Schluss mit lustig. Ich hebe ihn vorsichtig auf den Boden und erkläre ihm, dass wir hier eine rote Linie überschritten haben. Als am Abend die Sonne untergeht, beobachte ich die Flamingos in der Dämmerung, neben mir kleine Holzhütten und rauschende Palmenkronen. Es ist wunderschön. Unwirklich, aber wunderschön.
Den Tagespass könnt ihr jederzeit unter www.renarubaislandpasses.com kaufen [Stand Oktober 2020].
Wie ihr seht, kann eine Reise nach Aruba mehr sein als stumpfes Abgammeln am Hotelpool. Hier kläre ich abschließend noch ein paar brennende Fragen:
Ist Aruba sicher?
Ja. Ich war zwei Wochen lang als alleinreisende Frau dort, bin sehr viel mit dem Rad unterwegs gewesen und habe mich bis auf eine Ausnahme (dazu gleich mehr) immer sicher gefühlt. Die Insel ist außerdem nicht von Hurrikans betroffen. Am Strand kann man so gut wie alles liegenlassen, ohne dass etwas geklaut wird. Allerdings würde ich mein Handy auch nicht unbedingt offen aus dem Rucksack ragen lassen. Auto- und Radfahren ist trotz der teilweise spartanischen Straßenbeläge absolut sicher. Der östliche Teil der Insel ist nur mit Offroad-Fahrzeug (4x4 und viel Bodenfreiheit) erreichbar. Die Menschen auf Aruba sind extrem vorsichtig in Bezug auf Corona und achten sehr streng auf Hygieneregeln und Abstand. Ich habe mich deutlich besser geschützt gefühlt als in Europa.
Wie ist der Umgang mit den Einheimischen?
Eigentlich alle Menschen dort sprechen Englisch, teils zusätzlich niederländisch und spanisch. Die meisten Leute sind sehr fröhlich und gelassen. ABER: Dunkelhäutige, junge Männer versuchen oft, Frauen auf offener Straße aggressiv anzumachen. Ich wurde einmal von einem Auto heraus angesprochen. Die Person war sehr hartnäckig und verlangte mehrfach meine Handynummer. Meine beste Freundin wurde auf Aruba nach einer harmlosen Unterhaltung sogar begrabscht. Mein Rat: Keine übertriebene Panik, aber gute Wachsamkeit! Erstes Gebot: Ignoriert diese Männer. Haltet nicht an, schaut nicht hin, antwortet nicht und macht einfach weiter euer Ding. Es ist extrem schade, dass ich diesen Rat geben muss, da ich absolut anti-rassistisch bin und bestimmt auch harmlose junge Herren dabei waren. Doch in diesem Fall geht Sicherheit vor Offenheit. Die Probleme scheinen eher im Inland aufzutreten. An den Stränden habe ich mich zu jeder Zeit hundert Prozent sicher gefühlt.
Was kann man auf Aruba machen?
Viel mehr als bloß Strand! Doch wenn ihr Strand wollt, kann ich euch meinen Lieblingsort Divi Beach empfehlen. Gemütlich, natürlich, mit Bäumen und Hängematten. Palm Beach wird oft angepriesen, hat aber super hässliche Hotelklötze als Aussicht. Wenn ihr gern schnorchelt, dann unbedingt in die Gegend rund um Malmok Beach fahren.
Ansonsten kann ich euch definitiv eine Offroad-Tour durch den Osten der Insel empfehlen. Wenn ihr eine Tour mit Guide bucht, müsst ihr euch nicht selbst durch das Gelände navigieren und seht mehr. Besonders schön ist die Street Art in der Stadt St. Nicolas. Dort haben mehrere internationale Graffiti-Künstler verschiedene Wettbewerbe ausgetragen und viele Hauswände in Szene gesetzt. Tolle Felsen mit kleinem Trail gibt es an der Ayo Rock Formation und wer mehr über die Kultur erfahren möchte, sollte sich den bunten, öffentlichen Friedhof von Paradera ansehen.
Bei weiteren Fragen zu Aruba, Sehenswürdigkeiten, Besonderheiten sowie Einreise (aus Europa) und Ausreise (in die USA), könnt ihr mir jederzeit auf Facebook, Instagram oder per E-Mail schreiben. Und um es vorwegzunehmen: Ja, das Schlupfloch hat funktioniert [Stand Oktober 2020]. Ich bin inzwischen bei meinem Freund in den USA. Alle wichtigen Informationen zu den Voraussetzungen für die Einreise nach Aruba in Bezug auf Corona gibt es auf der Homepage von Visit Aruba.