Es gibt ja diese Blagen, die ziehen von zu Hause aus und können einfach gar nix. Keinen Hammer halten, keinen Nagel einschlagen. Nicht mal schief. Die rennen beim Baumarkt vor die Glasscheibe vom Eingang.
Genauso ein Kind war ich auch.
Meine Eltern haben mich nichts machen lassen, nichts war gut genug und deshalb hab ich auch nix gelernt. Erschwerend kam hinzu, dass ich in einem winzigen Kinderzimmer gehaust habe. Da haste Deko in Form eines Teelichts reingestellt und schon ging die Tür nicht mehr auf. Was war also irgendwann? Richtig – maximaler Kreativitätsstau bei minimaler Fachkenntnis. Ich wollte endlich etwas schaffen. Etwas, das mir gefiel, ohne Kompromisse, und das den leicht schrägen Vorstellungen meines persönlichen Wohlfühl-Habitats entsprach. Denn in meiner Fantasie wollte ich leben wie in einer Waldhütte, ein Flur wie bei Jumanji und meine Küche sollte aussehen wie ein Diner aus den Fünfzigern.
Und genau diesen crazy Shit erfülle ich mir jetzt. Lebensgroßes Tipi im Wohnzimmer, Holzhütte im Schlafzimmer, Industrie-Ambiente im Bad. Fast alles mache ich selbst – und alleine. Ja, ich rede hier vom selben Loser, der früher nicht mal einen Nagel einschlagen konnte. Wie das sein kann, warum du das auch kannst und wie du das machst – jetzt, hier.
Wohnungseinrichtung ist easy. Zumindest wenn der Geschmack „Ikea-Legokasten“ heißt und man dann fürs Grobe noch genug Pfennige in der Hinterhand hat, um einen Satz Bauarbeiter zu bestellen. Die einem dann unter Androhung der Komplettzerstörung durch Staubfontänen für nur fünftausend Euro das Bad neu hinmeißeln.
Bevor jetzt der Aufschrei kommt: Ich hab selbst ein Billy-Regal und klar gibt’s Sachen, da sollte man einen Profi holen. Elektrik und sowas. Ich hab früher schon im Physikunterricht immer den Stromkreis auf dem Steckbrett nuklear gesprengt.
Aber es gibt auch ganz viele Sachen, die man selbst erledigen oder herstellen kann. Vor allem, wenn man sich eine etwas ungewöhnlichere Einrichtung wünscht.
Dabei helfen fünf Dinge:
Da wir jetzt ungefähr wissen, wo wir Ideen herbekommen und dass das Ganze etwas Zeit in Anspruch nehmen wird, widme ich mich jetzt mal dem klassisch-menschlichen Urtrauma: „Das habe ich noch nie gemacht, das kann ich nicht, das geht sicher auch gar nicht.“
Leute. Erster Grundsatz: Wenn ihr das noch nie gemacht habt, wisst ihr gar nicht, ob ihr es könnt oder nicht. Zweiter Grundsatz: Klar kann was schiefgehen, aber dann lernt man halt daraus, anstatt sich gleich vor Verzweiflung mit dem Hammer zu erschlagen.
Meine allerersten Berührungspunkte mit Heimwerkern hatte ich erst mit 27 Jahren, als ich mir aufgrund großer Umwälzungen in meinem Leben ein Tiny House gekauft habe. Ein gebrauchtes. Wie man das von ’nem gebrauchten VW aus den Achtzigern kennt: Bisschen rostig, klappert, aber fährt noch. Ich stand damals wie ein Pinguin vor heißem Kochpudding. Juhu, eigene Bude! Arrrgh, und jetzt?! Ich steckte mir das Ziel, die ganze Butze komplett selbst zu renovieren. Ich wollte nicht mehr der Vollpfosten sein, der im Baumarkt vor die Glasscheibe rennt. Ich wollte hier und jetzt etwas Eigenes erschaffen. Endlich.
Und das war genau der Punkt, an dem ich es tatsächlich gelernt habe. Als ich das ganze Wohnzimmer noch mal neu streichen musste, weil ich „matt“ und „glänzend“ verwechselt habe. Als mir der Garderobenspiegel aufs Parkett gekracht ist. Als ich nach drei Stunden gemerkt habe, dass der Akkuschrauber auch ’ne Rückwärtsfunktion hat. Denn Heimwerkern bedeutet original das: Werken, arbeiten, klotzen. Am Heim. Zuhause. Am Lieblingsort. Gibt es eine schönere Motivation, endlich anzufangen?
Hier geht’s übrigens zu meinen allerersten Gehversuchen im Tiny Home: Die Tiny Home Renovierung: Farbe im Haar und Flüche im Flur.
Das Minihaus ist inzwischen wieder verkauft. Jetzt lebe ich mit meinem 97-jährigen Opa in einer Generationenbude. Und weil ich das Gefühl habe, endlich mal irgendwo dauerhaft angekommen zu sein, habe ich beschlossen, noch mal so richtig loszulegen.
Ich gebe es zu, ich habe da so eine Schwäche für amerikanisches Zeug. Zum Beispiel für meinen Freund. Kleiner Spaß. Ich meinte eher weniger meine bessere Hälfte aus den USA, sondern meinen Einrichtungsstil. Keine Ahnung, wie es euch geht, aber ich liebe Themenräume. Weiße Wand mit ’nem Poster von der Stange ist echt gar nicht mein Ding. Ich möchte in einen Raum kommen und etwas fühlen. Wärme, Fernweh, Natur, Musik, Vintage,…
Überlegt einfach mal, wo ihr euch zuletzt so richtig wohlgefühlt habt. In einem bestimmten Land? Auf einem Konzert? Im Wald? In einem fancy Hipster-Café? Warum nicht einen Raum in der Wohnung genau nach diesem Thema einrichten? Danach einfach mal ein paar Schlagworte bei Google, Amazon, Pinterest oder Instagram eingeben und ich schwöre, man kommt vor Mitternacht nicht mehr ins Bett, hat aber einen virtuellen Warenkorb, der platzt.
Und warum nicht mal über klassische Designkataloge hinausdenken? Ich bin zum Beispiel ein totaler Navajo-Southwest-Geek. Deshalb habe ich mir nun angeschaut, wie man sich selbst ein Tipi zimmert. Für Erwachsene. Als Lese-Ecke oder einfach nur zum Träumen und Gammeln. Ob ich Stoff nähen kann, hast du gefragt? Nachdem ich mir drei Mal in den Finger gestochen habe und fünf Nähte wieder auftrennen musste, ist die Antwort: Ja!
Dann habe ich auch eine große Liebe für amerikanische Waldhütten. Deshalb verschale ich jetzt mein Schlafzimmer teilweise mit etwas, das sich „Blockhausprofil“ nennt und den Eindruck erweckt, meine Wände würden aus runden Holzbohlen bestehen. Mein erster Schritt war, bei Youtube „Wie macht man ’ne Holzwand?“ einzugeben. Als der Kerl in dem Video angefangen hat, von Lattenunterkonstruktionen, Nageldübeln und Profilbrettkrallen zu faseln, hätte ich am liebsten das Internet gelöscht. Doch dann habe ich mir einen Zettel geholt, alle Bestandteile aufgeschrieben und mir das Video so lange angesehen, bis ich das Gefühl hatte: Mensch, das kann ich! Und oh Wunder: Ich kann’s. Die ersten Holzbohlen sind gerade angebracht.
Ein letztes großes Ärgernis waren die grau-grünen Fliesen im Bad, die ich am liebsten entweder zu Oliver Geissens großer 60er Jahre Chartshow geschickt oder abgefackelt hätte. Aber Fliesen brennen so schlecht. Abreißen lassen wollte ich sie aber auch nicht. Immenser Dreck, immenser Abfall, immense Kosten. Zum Glück brachte mich meine Geschäftspartnerin auf Fliesenfarbe. Hatte ich noch nie von gehört. Hab auch noch nie was lackiert. Habe mir dann die Chemiebrille von meinem Opa ausgeliehen, einen Beitrag auf einem Heimwerkerblog gelesen und losgelegt. Danach hatte ich drei Tage lang Lack unter den Fingernägeln (fragt nicht) und die Bude stinkt noch immer wie nach einem Tankerunfall vor den Everglades, aber das Bad sieht auf einmal aus, als wäre 2021.
Upcycling nennt sich diese Verwandlung. Wenn man aus altem Scheiß was Neues zaubert. Nur klingt „upcycling“ natürlich viel cooler. Habe ich auch mit einer alten Lampe gemacht, auf die ich mit Acrylfarbe ein Geweih für mein Holzhütten-Schlafzimmer gemalt habe.
Ich finde, wir haben heutzutage die besten Bedingungen, um uns unser Zuhause schön zu machen. Manchmal auch außergewöhnlich schön. Wir haben unfassbar viel Inspiration im Internet und in Zeitschriften, wir können uns DIY-Videos ansehen, in Foren fragen, mit dem Baumarkt über eine App chatten, sogar im Lockdown mit „click and collect“ vieles abholen und wir haben unfassbar viele Online-Händler von großen Riesen wie Amazon bis hin zu Plattformen für Künstler und ganz individuellen Kram wie Etsy. Und: Wir leben in einer Zeit, in der auch Frau weiß, wie und wo der Hammer hängt. Sogar, wenn sie komplett ohne Kenntnisse aufwächst und sich alles selbst beibringen muss.
Ey, wenn du jetzt nicht loslegst, dann aber nur, weil du gerade ’ne Ausrede suchst!
Hier unten in der kleinen Galerie findet ihr schon ein paar fertige Projekte. Einen Kronleuchter aus Second-Hand Lampenschirmchen von überall auf der Welt, kleine Holzschatztruhen als „Regal“ für meine Muschelsammlung, eine Tür mit Bücher-Tapete verkleidet (und ja, den Totoro habe ich selbst gemalt) sowie die neuen Neonschilder in meiner Rock’n’Roll-Küche.
Lonelyroadlover (Samstag, 27 März 2021 12:01)
Huhu Kasia,
dankeschön. :) Die Bücherregaltür hat auch meinen Papa verwirrt. Er dachte vom Foto her, dass ich die Tür und damit den ganzen dahinterliegenden Raum zugebaut habe. :D Es gibt so viele (günstige) Kleinigkeiten, die man heutzutage (online) bekommen kann, damit peppt man ganz schnell die Bude auf. Auch ohne riesen Fachkenntnisse oder Geldbeutel.
Liebe Grüße
Sarah
Kasia Oberdorf (Dienstag, 23 Februar 2021 06:44)
Die Bücherregaltür gefällt mir am besten. Ich habe da fünfmal hingucken müssen und habe mich zuerst gefragt, wie du das Bücherregal in den Türrahmen gekriegt hast und was da vorher drin war. Und warum die Bücher hinten nicht rausfallen. Und ob die Tür aus Glas ist. Aber wie kann denn die Tür aus Glas sein...
Schöne Ideen ;-)